Lass die Natur machen! Oder?

Seit über zehn Jahren kümmere ich mich nun schon um meinen Waldumbau und genauso lange verfolge ich die verschiedenen gesellschaftlichen Strömungen dazu. Es ist sehr spannend und lehrreich, die unterschiedlichen Meinungen zu hören.

Forstwirtschaft ist eine Aufgabe für Generationen, da sind zehn Jahre ziemlich unbedeutend. Und man sollte meinen, dass waldbauliche Empfehlungen – gerade von Fachleuten – eine recht lange Gültigkeit haben.

Zu Beginn meiner aktiven Beschäftigung mit dem Thema galt die „Mutter des Waldes“, die Rotbuche, als der Zukunftsbaum für den sich abzeichnenden Klimawandel. Die Rotbuche wäre ohne die jahrhundertlangen Eingriffe der Menschen die vorherrschende Baumart bei uns. Sie käme mit der zu erwartenden Erwärmung gut zurecht, und da unsere Nadelwälder keine Zukunft mehr haben, müssten zügig Rotbuchen unterpflanzt werden.

Im großen Stil hat man das in unserer Gegend auch getan und fleißig Rotbuchen in unsere Kiefernwälder eingebracht. Auch ich habe das gemacht und bisher noch nicht bereut.

Nun häufen sich aber die Berichte, dass Rotbuchen an Sonnenbrand leiden und selbst alte Buchen absterben. Sie kommen mit der Trockenheit und Hitze der letzten Zeit doch nicht so gut zurecht, wie noch vor einigen Jahren angenommen.

Der Klimawandel ist schneller und heftiger gekommen, als gedacht. Und die vielgelobte Rotbuche ist jetzt auch nur noch die „2. Wahl“. Für die „1. Wahl“ gibt es keine konkrete Empfehlung mehr, außer vielleicht ein paar Handlungsanweisungen.

Konsensfähig über alle Lager ist der Mischwald. Laubbäume und Nadelbäume über alle Altersklassen von Jung bis Alt, das ist das anzustrebende Ziel. Erntereife Bäume können zur Holznutzung entnommen werden und in den dadurch entstehenden Lichtinseln kann die nächste Baumgeneration keimen und sich entwickeln. Zur Erhöhung der Biodiversität verbleibt genügend Altholz im Wald, das Nahrung für Insekten und Pilze bildet.

Kontrovers wird es, wenn man die Ausgangssituation betrachtet und diskutiert, wie das Ziel zu erreichen wäre. Es ist sicherlich so, dass man auf einer Kahlfläche anders vorgehen muss, als wenn man einen noch halbwegs gesunden Altbestand hat. Im ersten Fall hat man anfangs viel Licht, was für das Wachstum der Baumsetzlinge gut ist. Andererseits wächst eine Begleitvegetation auch sehr gut, und es besteht die Gefahr, dass die gepflanzten Bäumchen schnell überwuchert werden. Unter einem Altbestand dagegen braucht man Bäumchen, die mit weniger Licht auskommen. Diese Anpflanzungen stehen dann im permanenten Konkurrenzkampf um Wasser und Nährstoffe.

Egal wie man sich auch entschiedet, am Ende ist jede Maßnahme mit Arbeit verbunden. Und ob man das Richtige tut, weiß man vielleicht erst in vielen Jahren. Ich kann daher die Einwände einiger verstehen, die sagen: „Betreibe nicht den ganzen Aufwand und lass deinen Wald doch in Ruhe. Die Natur kümmert sich schon darum. Es ist am besten, wenn der Mensch gar nicht eingreift!“.

Grundsätzlich ist das ja richtig. Die Natur braucht den Menschen gar nicht. Nach der letzten Eiszeit haben sich von selbst wieder stabile Wälder gebildet. Die Natur hat für diese Wälder keinen menschlichen Eingriff benötigt.

Genauso wird es wieder kommen. Wenn unsere Kiefernwälder großflächig wegen Hitze und Trockenheit absterben, werden wir Kahlflächen bekommen, in denen sich Pionierbaumarten ansiedeln. Zuerst gedeihen einheimische Arten wie Birke und Vogelbeere. Und wenn es denen auch zu warm wird, werden wir Buschlandschaften bekommen. Es wird Nischenbereiche geben, da überleben sicherlich auch unsere vorherrschenden Baumarten wie Fichte, Kiefer, Tanne oder Eiche. Über Generationen werden Genänderungen dazu führen, dass sich diese Arten an die neuen Umweltbedingungen anpassen. Vom Mittelmeerraum her können sich dort heimische Baumarten nach Norden ausbreiten. Irgendwann haben wir bei uns in Mittelfranken vielleicht Wälder aus Flaumeiche oder Steineiche.

Wenn das alles von selbst geschieht, warum also aktiv eingreifen? Es gibt nur einen einzigen Grund. Der von der Natur gesteuerte Waldumbau braucht einigen Tausend Jahre. Diese lange Zeit haben wir einfach nicht.

Wir müssen jetzt etwas tun, damit die nächsten Generationen Wälder haben. Es geht um Trinkwasserschutz, Vermeidung der Bodenerosion, Luftreinhaltung, Biodiversität, Bau- und Heizmaterial und natürlich auch um Erholung.

Es lohnt sich jeder Aufwand für einen zukunftsfähigen Wald. Klar, dass sich dabei auch mal eine Baumart als „2. Wahl“ entpuppt. Das darf aber nicht entmutigen. Wir haben ja viele Optionen. Man muss nur anpacken.